Der Weg zum entspannten Unternehmen Ein Interview mit Gerald Hüther

Foto: Johann Schrauf

Birgit Braun im Gespräch mit Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther, Vorstand und Initiator der Akademie für Potentialentfaltung.
Die zertifizierte Auditorin ist seit 2019 im Aufsichtsrat der Akademie für Potentialentfaltung.

Birgit Braun:
Lieber Gerald Hüther, als zertifizierte Auditorin mit über 31 Jahre Erfahrung im Qualitätsmanagement lautet mein Motto: „Ich verbinde Qualitätsmanagement mit Menschlichkeit“. Dabei lege ich besonderen Wert darauf, dass man Menschen zuhört, dass man nachfragt, was passt und was nicht. Ist die Sinnfrage geklärt in Bezug auf Qualitätsmanagement? Welche Idee haben sie und werden diese in ihren Sinne verwirklicht? Denn Menschen sind Individuen, die wachsen und gehört werden wollen.

Gerald Hüther:
Das ist genau das, was sich aus der Hirnforschung ableiten lässt und was in der Vergangenheit übersehen wurde und uns auch nicht wichtig war. Und vielleicht hätte unsere alte Gesellschaft gar nicht funktioniert, wenn wir das bereits vor Jahren so gemacht hätten. Wir kommen ja ursprünglich aus einer Gesellschaft, in der Einer gesagt hat, wo’s langgeht und alle anderen mussten dem folgen. Dieses Prinzip hat sich nicht mehr bewährt, da die Welt so kompliziert geworden ist, dass ein Einzelner im Unternehmen gar nicht mehr umfassend wissen kann, was zu tun ist und auf was geachtet werden muss. Deshalb ist es sinnvoll, dass verschiedene Spezialisten ihre Expertisen und Kompetenzen zusammenwerfen, um gemeinsam ein Ergebnis zu erzielen. Und das ist immer mehr als das, was sich ein einzelner Chef ausdenken kann. Und wenn ich dieses Zusammenarbeiten mit Mitarbeitenden umsetzen möchte, kann ich sie nicht wie früher behandeln. Ich muss mir als Chef klar machen, dass ich vom hohen Ross runterkomme, um mit den Mitarbeitenden gemeinsam Lösungen zu suchen. Dazu gehört, dass ich als Chef gegenüber meinen Mitarbeitenden meine Fehlerhaftigkeit und meine Verletzlichkeit zugebe und dann öffnen sich die Mitarbeitenden. D.h., wenn ich mich als Führungskraft als Subjekt zeige, oder umgangssprachlich: die Hosen runterlassen – dann beobachtet man ein wunderbares Phänomen.

Wenn einer bereit ist, sich zu zeigen, ist der andere auch bereit, sich zu zeigen. Und dann findet Begegnung zwischen beiden statt. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Kann ich als Führungskraft von meinem Mitarbeitenden die Stärke erwarten, sich zu zeigen? Und das, wenn ich ihm früher vielleicht die ganze Zeit Angst gemacht habe? Daher ist es erforderlich, als Führungskraft, die in der stärkeren Position ist, diesen Prozess zu initiieren, indem ich auf die Mitarbeitenden zugehe und sie nicht mehr fertig mache. Viele Führungskräfte können sich das überhaupt nicht vorstellen, daher sollte man sich von der Vorstellungen verabschieden, dass man ein Manager ist.

Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, dass sich das, was man sich wünscht, ereignen kann. Man ist dann ein Ermöglicher. Der Begriff „Management“ entstammt der alten Zeit. Denn eigentlich sind Führungskräfte der heutigen Zeit Ermöglicher. Sie helfen ihren Mitarbeitenden in die eigene Kraft. Die schönste Aufgabe einer modernen Führungskraft besteht darin, seine Mitarbeitenden dahingehend zu stärken, alleine Verantwortungzu übernehmen, sodass sich die Führungskraft selbst abschafft!

Manche erschrecken, wenn sie das hören, weil sie befürchten, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Das ist aber nicht so! Man braucht diese Führungskräfte nicht als Eselstreiber, die mit der Möhre und der Peitsche ihre Mitarbeiter irgendwo hinjagen. Wenn mit Mitarbeitenden kokreative Gemeinschaften gebildet werden, die selbstverantwortlich ihre Arbeit und Aufgaben übernehmen, hat diese Führungskraft endlich Raum und Zeit, um das zu übernehmen, was einer Führungskraft entspricht. Sie hat einen anderen Blickwinkel und damit mehr Weitsicht, sie schaut mehr von oben auf die ganzen Abläufe. Sie kann gezielt Themen wie Kollegenwünsche, Entwicklungen am Markt berücksichtigen und damit das Unternehmen besser auf Veränderungsprozesse, die sich aktuell überall abzeichnen, einstellen. Das ist die Aufgabe einer Führungskraft: Vorausschauend erkennen, worauf es ankommt. Und nicht die Mitarbeitenden irgendwo hinzujagen, wo kurzfristig ein Erfolg gemacht werden kann.

Hat früher die Führungskraft festgelegt, in welche Richtung es in einerGemeinschaft geht, was hierarchisch autoritären Ordnungsprinzipien entsprach, so ist unsere Welt mittlerweile so komplex, dass das so nicht mehr funktioniert. Du kannst die Führung in einer Gemeinschaft nur dann abschaffen, wenn in den Köpfen der Menschen etwas verankert ist, was sie führt. Und das ist das gemeinsame Anliegen. Wenn sie wissen, wofür sie das machen, was sie machen, und zwar, weil es ihnen allen am Herzen liegt, sie aber nur gemeinsam hinkriegen, dann brauchen sie keine Führungskraft, sondern haben diese Führung über ihr gemeinsames Anliegen. Und das ist das, was wir als Sinn bezeichnen. Der Begriff Qualitätsmanagement stammt noch aus dem vorherigen Jahrhundert. Ich begrüße, dass du ihn in die neue Zeit mitnimmst und es mit Menschlichkeit verbindest!

D.h., dass du aufhörst, zu managen, denn das ist eigentlich unmenschlich. Menschlich ist es, einander zu begegnen und füreinander Bedingungen zu schaffen, wo wir uns entfalten können. Ein Manager will immer etwas erfolgreich zu Ende bringen. Ein Ermöglicher schafft Bedingungen, unter denen das, was er sich wünscht, im Idealfall gelingt!

Infos:
Birgit Braun, Qualitätsmanagement & Menschlichkeit,
Kocherstr. 36, Öhringen,
Tel. 079 48 / 941 84 4,
Mobil: +49 (0) 15 73 / 170 47 90
http://birgit-braun.eu

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