Emmas Eltern sind zufrieden: Ihre Einjährige hat den gewünschten Platz in der Krippe bekommen und nach der Eingewöhnungszeit hat sich jetzt alles gut eingespielt. Emma ist beim Abholen gut gelaunt. Die Eltern können guten Gewissens ihre Berufstätigkeit ausüben.
Bis dann nach ein paar Wochen zum ersten Mal der Anruf kommt: „Ihre Emma hat Fieber. Bitte holen Sie Ihr Kind ab!“ Das ist nicht tragisch – der Chef trägt es mit Fassung und die Krankenkasse zahlt den Verdienstausfall weitgehend. Doch die Sache wiederholt sich. Mal ist es eine hartnäckige, schlafraubende Erkältung, mal Durchfall, mal Fieber mit rotem Ausschlag. Und dann prangt vielleicht noch ein Schild am Eingang der Kita: „Es sind Läuse aufgetreten“. Ist die Kinderbetreuung eine Tauschbörse für Krankheiten?
Tatsächlich häufen sich oft die Infektionskrankheiten, sobald das Kind in einer Kindergruppe betreut wird. Das ist ärgerlich, denn Kind und Eltern leiden darunter. Und auch der Arbeitgeber, der Eltern für die Pflege eines kranken Kindes bis zu 20 Tage im Jahr freistellen muss, kann mit häufigen Ausfallzeiten ein Problem haben.
Der naheliegende Gedanke ist dann, ob diese Krankheiten verhindert werden können. Doch auch bei gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung an der frischen Luft sind bei Kleinkindern bis zu sechs Erkältungserkrankungen im Jahr völlig normal. Das Immunsystem muss erst lernen, auf Krankheitserreger schnell und angemessen zu reagieren. Je größer die Kindergruppe ist, mit desto mehr verschiedenen Erregern wird der kindliche Organismus konfrontiert. Im eher familiären Rahmen der Kindertagespflege ist die Gefährdung entsprechend niedriger als in einer Krippengruppe mit 10 oder mehr Kindern. Die Ansteckung selbst ist auch bei guter Hygiene nur bedingt zu verhindern. Gerade bei Kindern, die noch alles mit dem Mund erforschen, ist die Übertragung durch Speichel alltäglich, wenn man den kindlichen Forschergeist nicht unterbinden will. Viele Krankheiten werden durch die Luft oder durch feinste Tröpfchen zum Beispiel beim Husten oder Niesen übertragen. Gegen die sogenannte „Schmierinfektion“ hilft ein bewusster Umgang mit möglichen Kontaktflächen, in erster Linie gründliches Händewaschen.
Es kommt bei vielen Krankheiten auch auf die Menge der Keime an, ob jemand erkrankt. Das Gemeine daran ist, dass manche Infektionskrankheiten schon ansteckend sind, bevor man sie erkennt (Beispiel Windpocken) oder nachdem der Patient wieder fit und fidel ist (Beispiel Magen- Darm-Infekt durch Noroviren). Letztendlich können Kinder nicht bei jedem Verdacht auf eine Infektionskrankheit isoliert werden.
Die meisten dieser Infekte sind in der Regel nicht wirklich gefährlich. Wenn ein Kind dabei Fieber hat oder in seinem Allgemeinbefinden beeinträchtigt ist, braucht es für ein paar Tage die Einzelbetreuung zu Hause. Allerdings gibt es auch schwerwiegende Kinderkrankheiten. Bei Masern zum Beispiel ist ein ärztliches Attest erforderlich, bevor das Kind wieder in die Kita gehen darf.
Auch wenn es sehr lästig werden kann – diese Phase der häufigen Infekte ist in fast jedem Kinderleben normal. Ich selbst bin ein Paradebeispiel dafür: Ich ging nie in einen Kindergarten und wurde dafür in der ersten Schulklasse ständig krank. Das Gute daran: in der Regel wird es nach dem ersten Betreuungsjahr bedeutend besser.
Ein Aspekt der individuellen Krankheitsanfälligkeit ist neben einer körperlich gesunden Lebensführung auch das seelische Wohlbefinden. Gestresste Menschen – und natürlich auch Kinder – werden schneller krank. Je kleiner sie sind, desto mehr brauchen sie konstante Bezugspersonen und eine überschaubare Lebensgemeinschaft. Lärm und Reizüberflutung, wie es in einer größeren Kindergruppe kaum zu vermeiden ist, führen zu einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen. Wird dies zum Dauerzustand bleiben negative Auswirkungen nicht aus. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil der Kindertagespflege gegenüber einer größeren Krippengruppe: Auf die kindlichen Bedürfnisse nach individuellen Ruhezeiten kann besser eingegangen werden. Die Bezugsperson bleibt zuverlässig die gleiche – das gibt Sicherheit. Solches Vertrauen ist eine gute Grundlage, um sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen, seien es nun Krankheitskeime oder die Eroberung der Umwelt.
Ein Beitrag von Ute Hermann, Tagesmutter