Wenn wir ernst genommen werden, lenken wir auch ein

 

Kinder sind ja wirklich etwas Wunderbares. Sie lassen uns das Herz aufgehen und bereichern unser Leben. Und sie machen ihre Eltern ganz verrückt – meist vor Glück! ODER?

Im Großen und Ganzen ist das sicher so. Wieso geraten wir dann mit unseren Kindern immer wieder aneinander? Weil sich mindestens zwei Wesen begegnen mit zwei verschiedenen Ideen, Vorstellungen, Blickwinkeln, Bedürfnissen und Zielen vom Leben. Solange die annähernd übereinstimmen oder in die gleiche Richtung zielen, läuft es meist recht harmonisch. Doch haarig wird’s, wenn sich Unterschiede auftun.

Wie beziehen wir uns eigentlich aufeinander? Wer bin ich und wer bist du? Bin ich der Erwachsene, der weiß, wie es geht? Habe ich den Überblick und mein Kind soll gefälligst folgen? Ist mein Kind zu klein und unerfahren, selber zu entscheiden? Sind seine Bedürfnisse, sein „ich will“ deswegen falsch?

Stell dir vor: Du willst dir einen Kaffee machen und dein Partner oder Chef kommt dazu und bestimmt, dass du lieber Tee trinken sollst, das sei gesünder und außerdem stehe ein Termin an – also keine Zeit. Du fühlst dich sicherlich überrumpelt, wirst dich empören und auf deinen Kaffee bestehen. Dein Gegenüber wird ungeduldig, laut. Im schlimmsten Fall packt er dich und trägt dich einfach weg oder bestraft und bedroht dich. Nach dem Motto: Wenn du jetzt nicht, dann…

Du wirst dir vorkommen wie im falschen Film. Und je nach Prägung und Repertoire könnte deine Reaktion da-rauf sehr unterschiedlich aussehen: Von beleidigtem Rückzug, über patzigem Gegenangriff, bis zum aggressiven Wutausbruch. Unwahrscheinlich, dass du dich verständnisvoll und kooperativ von deinem Vorhaben, nun einen Kaffee zu trinken, abbringen lässt. Wahrscheinlich würdest du dir Strategien zulegen, wie du künftig Übergriffe dieser Art vermeidest. Du könnest beginnen heimlich Kaffee zu kochen. Du könntest resigniert aufgeben deinen Bedürfnissen nachzugehen. Egal welche Strategie du wählst, du fühlst dich irgendwie verkehrt, nicht ersnt genommen, nicht geachtet.

Das alles geschieht sicher nicht beim ersten Mal, doch je öfter dir jemand auf diese Weise begegnet, desto ausgeklügelter wird dein Abwehr- oder Vermeidungssystem. Nun sprechen wir nicht über dich und deinen Wunsch nach Kaffee. Sondern um die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Es geht mir gar nicht darum, dass Eltern nicht entscheiden sollten, was gut für ihr Kind ist oder nicht. Es geht um das WIE. Hand aufs Herz: Wie oft erleben unsere Kinder ähnliche Situationen? Wie oft begegnen wir unseren Kindern genauso?

Die pädagogische und psychologische Fachwelt nennt das „Subjekt-Objekt-Beziehung“. Das bedeutet: Das Subjekt (also du oder ich) beziehen uns auf jemand anderen als sei er eine Sache, die tun soll was wir wollen. Wie nachvollziehbar meine Beweggründe auch sein mögen, die andere Person wird übergangen. Kinder sind uns bedingungslos ausgeliefert. Und: Sie haben oft nicht das Wissen und die Erfahrung, was gut für sie ist. Doch sie wissen sehr genau, was sie wollen und noch viel besser, was sie nicht wollen. Was bei Kindern hinzukommt ist der Nachahmungsfaktor. Die Eltern leben vor, wie das Leben funktioniert, wie Beziehungen funktionieren, wie man sich verhält im Guten wie im Schlechten – Kinder schauen genau hin und übernehmen das ungeprüft.

Wer also häufig genug übergangen und nicht ernst genommen wird, lernt schnell es gleich zu tun – in allen Lebensbereichen. Je kleiner die Kinder sind, desto unmittelbarer ist die Auswirkung. Das Gegenstück zur Subjekt-Objekt-Beziehung ist die Subjekt-Subjekt-Beziehung und nun wird es spannend: Wie würde denn unsere Kaffeemaschinen-Situation aussehen, wenn wir uns als Subjekte aufeinander beziehen. Dann würde mir mein Gegenüber mitteilen müssen, wieso es seiner Ansicht nach jetzt gerade ungünstig ist, einen Kaffee zu trinken. Er würde das in einer freundlichen und respektvollen Weise tun, weil er wüsste, dass seine Gründe nicht über meinen stünden. Als Erwachsener kann ich argumentieren und mich für meine Sache einsetzen. Kinder versuchen es auch, aber eigentlich wollen sie in erster Linie kooperieren.

Warum Kinder kooperieren oder nicht, hat also viel mit der Art zu tun, wie wir uns aufeinander beziehen. Gesehen werden und ernst genommen sein – das sind die zwei wichtigsten Aspekte. Mit Übergehen wird es schwierig. Und wenn wir gesehen und ernst genommen werden, lenken wir auch gerne ein. Da geht es uns nicht anders als den Kindern. Das mal zum Nachdenken, wenn es sich mal wieder verhakt!

Ein Beitrag von Susanne Sonnleitner, www.sonnleitner.eu

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