Sind es in den ersten Jahren die Monster unterm Bett, die dem kleinen Kind Angst bereiten, so haben viele größere Kinder Angst in die Schule zu gehen oder alleine bei Freunden zu schlafen. Kinder haben in unterschiedlichen Entwicklungsphasen mit unterschiedlichen realen und nicht realen Ängsten zu kämpfen. Dabei wünschen sich doch die Eltern so sehr, dass ihre Kinder möglichst angstfrei aufwachsen. Aber Kinder brauchen Ängste. Ängste gehören zu unserem Leben und dienen zum einen dazu, uns vor Gefahren zu warnen. Sie sind ein wichtiges Signal und erziehen uns zur Vorsicht. Zudem machen Ängste stark, wenn Kinder lernen die Ängste zu überwinden.
Zappelino im Gespräch mit Rosmarie Zimmer, psychologische Leiterin der medizinischen Rehabilitation (RPK) des Heilbronner THERAPEUTIKUMs
Wie verhalte ich mich als Eltern, wenn mein Kind seine Ängste äußert? Soll ich darauf eingehen oder sie eher herunterspielen?
Eltern sollten auf alle Fälle mit Verständnis reagieren, damit das Kind in einer akuten Angstsituation merkt, es ist jemand da, der mir zuhört, der mich trösten kann und der meine Ängste ernst nimmt. Das Kind sollte die Möglichkeit bekommen über Ängste zu reden und sich im Kreis seiner Bezugspersonen geborgen zu fühlen. Vor allem kleine Kinder erleben sich in Angstsituationen hilflos, daher ist es sinnvoll, ihnen das Gefühl zu geben, als bestärkende, begleitende Person an ihrer Seite zu sein. So kann eine gute Basis für ein gesundes Selbstvertrauen geschaffen werden, die es ermöglicht mit Ängsten umzugehen.
Wie können Eltern konkret ihren Kindern helfen, die Ängste zu überwinden bzw. ihrem Kind einen “gesunden” Umgang mit der Angst beibringen?
Das hängt ganz stark vom Alter der Kinder ab. Bei Jugendlichen und älteren Kindern ist es ratsam, die Ängste zu analysieren und zu schauen, ob hinter einer Angst sogar eine weitere steckt und natürlich sollte dann ei-ne Lösungsstrategie aus der Angst entwickelt werden. Eine gute Möglichkeit bei kleineren Kindern ist das Vorlesen von Märchen. Fast jedes Märchen handelt indirekt von Ängsten und der Überwindung dieser. Selbst wenn die Angst in den Märchen nicht das zentrale Thema ist, lernen die Kinder Strategien, mit dieser umzugehen. Außerdem gibt es mittlerweile zahlreiche Kinderbücher, die Kinderängste thematisieren. Außerdem sollten Eltern, in meinen Augen, unbedingt die Altersbeschränkung bei Filmen und Computerspielen einhalten, denn diese werden ja nicht willkürlich vergeben, sondern zum Schutze der Kinder. Kinder werden häufig mit Themen, die nicht altersgemäß sind, überfordert, wodurch sich eine Angst ausbilden kann. Man kann Kinder fördern, aber sollte sie nicht überfordern.
Wann erkennt man als Eltern, dass sich die Angst zu einer Störung auswächst und das Kind in seiner Entwicklung hemmt? Wo finde ich hier konkret Hilfe?
Wenn Ängste sehr langanhaltend sind und über ein bestimmtes Alter hinaus anhalten, kann das ein Anzeichen sein. Oder wenn die Ängste in vielen unterschiedlichen Situationen auftauchen und zu einem großen Leidensdruck beim Kind führt. Und natürlich, wenn der Alltag des Kindes und auch der Familie von der Angst des Kindes geprägt ist. Hilfe finde ich bei Ängsten oder auch anderen psychischen Problemen erst einmal beim Haus- oder Kinderarzt, der einschätzen kann, ob die Ängste alterstypisch sind oder bereits eine Angststörung vorliegt. Des Weiteren können Kinder- sowie Jugendpsychotherapeuten, Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Weinberg sowie die Frühen Hilfen in Heilbronn weiterhelfen.
Kann ich als Eltern Vorbild sein, beispielsweise, indem ich darauf achte, meine eigenen Ängste zu bewältigen und nicht auf die Kinder zu übertragen?
Eltern haben hier natürlich auch eine Vorbildfunktion und sollten gelassen reagieren, wenn beispielsweise eine Wespe am Cafétisch auftaucht. Oder wenn ein Kind auf einen Stuhl steigt und man sofort in Sorge ist, dass es stürzen könnte. Beim kleinen Kind wird man natürlich unterstützen. Aber wenn Eltern ständig in Hab-Acht-Haltung und übervorsichtig sind und wie ein Helikopter über das Kind schwirren, vor lauter Angst, es könnte etwas passieren, können sich Ängste entwickeln.
Was halten Sie von Ritualen gegen Kinderängste?Rituale helfen besonders bei kleinen Kindern sehr gut bei der Bewältigung der Angst. So kommen beispielsweise Mutmachersätze in der Therapie zum Einsatz. Im Kleinkindalter vermitteln zuverlässige Rituale ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. So ist es hilfreich bei Kindern, die Angst vor der Dunkelheit haben, ein Nachtlicht anzulassen, damit sie lernen alleine im Zimmer zu bleiben. Geschichten Vorlesen am Abend eignen sich ebenfalls sehr gut, in denen der Umgang bzw. die Bewältigung von Ängsten zum Tragen kommt. Bei Kindern mit Trennungsängsten ist eine Verlässlichkeit sehr wichtig. Sollte das Kind beispielsweise für eine Stunde bei der Oma sein, so sollte man darauf achten, das Kind tatsächlich zur vereinbarten Zeit abzuholen, damit sich das Kind darauf verlassen kann und sich sicher fühlt.
In verschiedenen Entwicklungsphasen gehört die Angst mehr oder weniger stark dazu. Welche Ängste treten in welcher Altersgruppe bzw. welche Ängste sind in welchem Alter typisch?
Im Säuglingsalter lösen häufig sensorische Reize, wie laute Geräusche, Ängste aus. Zwischen 6 und 12 Monaten tritt die Trennungsangst bzw. das Fremdeln auf. Sind es im Kleinkindalter Ängste vor imaginären Wesen, wie Monster oder Hexen und vor der Trennung, so existieren im Vorschulalter Ängste vor Tieren, Verletzungen, Naturkatastrophen wie Gewitter.
In der Grundschulzeit sind die Ängste sehr stark ausgerichtet auf das Thema Leistung – sowohl schulische als auch sportliche- sowie Krankheiten. In der Adoleszenz- also im Jugendalter- ist der soziale Vergleich unter Gleichaltrigen, die Ablehnung durch Andere stark mit Angst besetzt. Bestimmte Lebensphasen sind tatsächlich mit bestimmten Angstsituationen verknüpft. Wenn diese dann wieder abklingen, würde man das nicht als Angststörung bezeichnen, sondern als Teil einer normalen Entwicklung.
Infos: therapeutikumheilbronn.de