therapeutisch begleiten – Spendenaktion Neonatologie Ein Interview mit Professor Peter Ruef
Spendenaktion Neonatologie
Ein Interview mit Professor Peter Ruef
Die Zahl der Neugeborenen, die in der Heilbronner Kinderklinik behandelt werden, steigt seit Jahren. Doch das ist nur einer der Gründe, warum die Kinderklinik nun durch einen Anbau erweitert wird. Professor Peter Ruef, Direktor der SLK-Kinderklinik, spricht über moderne Behandlungsmethoden und die unterstützende Rolle der Eltern bei der Genesung der Kleinsten.
Im vergangenen Jahr wurden rund 1000 Neugeborene in der Heilbronner Kinderklinik behandelt – etwa 300 mehr als noch vor fünf Jahren.
Woran liegt das?
„Das hat verschiedene Ursachen. Zum einen ist die Zahl der Geburten im Klinikum am Gesundbrunnen gestiegen, sodass auch mehr Kinder direkt nach der Geburt behandlungsbedürftig sind. Zudem ist die Zahl der Fälle, die von anderen Kliniken nach Heilbronn überwiesen werden, gestiegen. Und selbstverständlich werden auch mehr Neugeborene behandelt, weil immer mehr sehr kleine Neugeborene überleben, die früher keine Chance gehabt hätten.
Was sind die häufigsten Gründe für eine Behandlung?
Neugeborenengelbsucht, Infektionen des Neugeborenen, Frühgeburtlichkeit vor der 37. Schwangerschaftswoche, Atemstörungen nach Geburt und die Abklärung von Fehlbildungen. Doch nicht jedes Kind kommt unmittelbar nach der Geburt zu uns. Als Neugeborene bezeichnen wir alle Kinder bis zum 28. Lebenstag. Das heißt dazu zählen auch Kinder, die vielleicht schon zwei, drei Wochen alt sind und mit einer Erkrankung zu uns kommen. Vergangene Woche haben wir über ein Baby berichtet, das mit 460 Gramm auf die Welt kam und sich bisher gut entwickelt hat.
Wie hat sich die Medizin verändert?
Es geht hierbei nicht nur um das Geburtsgewicht. Ein entscheidender Faktor ist auch die erhebliche Unreife der extremen Frühgeborenen, die bis zu 17 Wochen vor dem Termin zur Welt kommen. Inzwischen behandeln wir pro Jahr 70 Neugeborene, die weniger als 1500 Gramm wiegen – und zwar zum Teil deutlich weniger. Hier hat sich auch die Medizintechnik wesentlich weiterentwickelt.
Wie unterstützt die Technik die Behandlung?
Ein gutes Beispiel sind die Beatmungsgeräte und Überwachungstechniken. Dabei können die sehr kleinen Kinder selbstverständlich nicht genauso beatmet werden wie ein Erwachsener. Für die Entwicklung der Kleinen sind ein angepasster Sauerstoffgehalt und die Überwachung der Atemgase extrem wichtig, weil zu viel Sauerstoff zu Schädigungen an verschiedenen Organen führen kann. Heute ist die Entwicklung dahingehend, dass die Beatmungsgeräte die Sauerstoffzufuhr aufgrund der gemessenen Werte automatisch über komplexe Mess- und Regelkreise besser anpassen können.
Kann eine Klinik denn bei der immer neuen Technik auf dem Laufenden bleiben?
Durch die reguläre Krankenhausfinanzierung können die Kosten für High-Tech-Geräte oder Aktualisierungen der Software leider oft nicht gedeckt werden. Deswegen sind wir sehr dankbar, dass uns die Stiftung „Große Hilfe für kleine Helden“ immer wieder bei der Finanzierung unterstützt. Nur so können wir es schaffen, die bestmögliche technische Ausstattung für die Kleinsten zu bieten.
Trotz aller Maßnahmen können nicht alle Kinder gesund entlassen werden.
Bei den sehr unreifen Frühgeborenen und schwerst kranken Neugeborenen ist das Risiko für Folgeerkrankungen hoch. Das gesamte Team bereitet die Eltern intensiv auf die Zeit nach der Entlassung vor. Außerdem werden die Familien auch nach dem Krankenhausaufenthalt begleitet, unter anderem von der durch die Stiftung „Große Hilfe für kleine Helden“ maßgeblich finanzierte sozialmedizinischen Nachsorge, das sozial pädiatrische Zentrum und die niedergelassenen Kinderärzte.
Die Ärzte und Pflegekräfte versorgen die Kleinen mit High-Tech-Geräten, während die Eltern nur hilflos zusehen können…
Nein, das stimmt so nicht. Auch in dieser Hinsicht hat sich die Medizin geändert. Es wird großer Wert auf die entwicklungsfördernde Pflege gelegt. Zusätzlich nehmen sich die Pflegekräfte viel Zeit, um den Eltern zu zeigen, wie sie die Kinder selbst pflegen können, um den Kontakt weiter zu stärken. Die Eltern spielen eine große Rolle bei Genesung, aber auch bei der Entwicklung des Kindes – auch schon während der Zeit in der Klinik. So wirkt sich auch enger Körperkontakt positiv auf die Immunabwehr und die Entwicklung aus. Bei der so genannten Känguru-Technik liegen die Kinder zum Beispiel auf der freien Brust des Elternteils. Derzeit sind allerdings vier Neugeborene in einem Zimmer untergebracht, das heißt wir haben kaum Platz, dies durchzuführen – ganz zu schweigen von der mangelnden Privatsphäre. Das wird sich durch den Neubau ändern.
Das heißt, der Neubau und die neue Ausstattung sind auch im Sinne der Behandlung nötig?
Auf jeden Fall. Es wird künftig standardmäßig Zwei-Bett-Zimmer geben. Das bietet den Eltern überhaupt erst die Möglichkeit und den nötigen Platz, Zeit bei ihrem Kind zu verbringen und in Ruhe einen engen Kontakt zu pflegen. Die Stiftung „Große Hilfe für kleine Helden“ unterstützt uns zusammen mit dem Medienpartner Heilbronner Stimme bei dem Spendenprojekt unter anderem dabei, dass es wohnliches Mobiliar für Eltern geben wird. Auch das ist bei den öffentlichen Mitteln, mit denen der Bau finanziert wird, nicht vorgesehen.
Quelle: Heilbronner Stimme, 26.03.2017