Vegane Ernährung ein Interview mit mit Jasmi Hekmati
Viele Gru?nde sprechen fu?r eine fleischlose sowie vegane Ernährung: Umwelt- sowie Klimaschutz,
Tierliebe, Ethik, Ressourcenknappheit, Welternäh-rung und allen voran gesundheitliche Gru?nde. Immer mehr Menschen entscheiden sich aufgrund der Gammelfleischskandale, Antibiotika im Fleisch, Pferdefleisch in der Lasagne- die Liste ließe sichnahezu unendlich fortsetzen- fu?r eine fleischlose Kost. So hat sich die Zahl der Vegetarier laut Statistik in den letzten Jahren nahezu verdoppelt.
Und auch der gänzliche Verzicht auf tierische Pro-dukte ist immer mehr im Kommen. Daher eröffnen mehr und mehr vegane Restaurants und selbst Supermarktdiscounter werben fu?r vegane Produkte. Ist das eine momentane Modewelle oder einfach
die Ernährung der Zukunft?
Zappelino sprach mit der Journalistin und Fernseh-Moderatorin Jasmin Hekmati, die in diesem Jahr ihr veganes Familienkochbuch im ars vivendi
Verlag herausgeben hat.
Frau Hekmati, was hat Sie dazu gewogen, sich fu?r eine fleischlose Kost zu entscheiden?
Als mein Mann und ich Eltern wurden, haben wir viel daru?ber nachgedacht, wie wir leben und welche
Werte wir unseren Kindern vermitteln möchten. Es gibt ja eine Menge Gru?nde, die dagegen sprechen,
Fleisch zu essen – vor allem in dem Stil und dem Maße, wie es in unserer Gesellschaft stattfindet: Wir fu?gen ja nicht nur Tieren unnötig Leid zu, auch Menschen leiden unter unserem Fleischkonsum. Er trägt zu Hunger und Ungerechtigkeit in der Welt bei,
zum Beispiel, weil die Schweine, Rinder und Hu?hner in Europa Getreide und Soja fressen, das anderswo
Menschen ernähren könnte. Der Futtermittelanbau verursacht zudem Umweltzerstörungen. Die Exkre-mente der Tiere verseuchen unsere Böden. Der massenweise Einsatz von Antibiotika sorgt fu?r ge-fährliche Resistenzen, die jetzt schon täglich tau-sende Menschen das Leben kosten. Dazu kommt noch die Belastung fu?r das Klima: Die Nutztierhal-tung verursacht so viel Treibhausgase wie der weltweite Verkehr zusammen.
Auch unter gesundheitlichen Aspekten spricht vieles fu?r eine pflanzliche Ernährung. Eigentlich gibt es keinen vernu?nftigen Grund mehr dafu?r, Fleisch zu essen.
Ist Ihnen die Entscheidung schwer gefallen?
Auch wenn viele uns das nicht glauben wollen: Nein. Unser Essen war nie so bunt und abwechslungs-reich wie heute. Wir haben großartige neue Lebens-mittel, Kombinationen und Zubereitungsarten aus-probiert und liebgewonnen, so dass wir uns heute
reicher fu?hlen als vorher.
Gibt es etwas, das Sie vermissen?
Hin und wieder habe ich Lust auf Käse, aber in-zwischen gibt es tollen veganen Käse auf Cashew-basis zu kaufen, der ist mit Kulturen gereift wie Käse aus Tiermilch und schmeckt wirklich toll.
Wie sieht es mit der Umsetzung im Alltag aus bzw. wenn Sie auf Reisenoder geschäftlich unterwegs sind?
Da hatte ich bisher eigentlich wenig Probleme. Glu?cklicherweise stellen sich immer mehr Super-märkte und Restaurants auf die gestiegene Nach-frage ein. Oder sie zaubern eben schnell etwas aus Gemu?se und Pasta. Beim Italiener und Asiaten ist das am unkompliziertesten. Und was die Kinder angeht, sind wir auch nicht dogmatisch, die beiden essen außer Haus zur Not auch mal vegetarische
Gerichte, zum Beispiel mit Milch, Käse oder Eiern.
Wie reagiert die Umwelt, vor allem wenn sie hört, dass auch Ihre Kinder vegan ernährt werden?
Unsere Familien und Freunde haben sehr tolerant reagiert, sie wissen, wie ernsthaft und verantwor-tungsvollwir uns mit dem Thema auseinandersetzen
und dass wir noch mehr auf gesunde Ernährung achten, alsdie meisten Eltern das ja eh schon tun. Fremde hingegen sind häufiger kritisch, einige werden sogar unverschämt. Interessanterweise sind das besonders häufig diejenigen, die sich sonst nie mit gesunder Ernährung beschäftigen und kein Pro-blem damit haben, Kinder hauptsächlich mit
Fleisch, Wurst, Weißmehlprodukten und zucker-haltigen Getränken zu ernähren, nach dem Motto: Kinder mögen nun mal kein Gemu?se und Vollkorn.Ist die vegane Ernährung auch fu?r Kinder, die sich ja noch im Aufbau befindet, geeignet? Haben Sie keine
Bedenken, das Ihre Kinder Mangelerscheinungen be-kommen, daja häufig die Rede davon ist, dass bei einer veganen Ernährung einMangel an Eiweiß, Kalzium, Eisenetc. zu befu?rchten sei?
Vegane Ernährung ist auch fu?r Kinder geeignet, wenn man sich gut informiert und weiß worauf man achtenmuss. Während der Recherchen fu?r mein Buch habe ich mich mit Ernährungsmedizinern,
Kinderärzten und Ernährungswissenschaftlern un-terhalten. Sie alle sind vorsichtig darin, die vegane Ernährung ohne Einschränkung fu?r Kinder zu empfehlen, weil man Fehler machen kann. Sie alle
haben mir aber bestätigt, dass sie sogar gesund-heitliche Vorteile mit sich bringt, wenn man sie richtig zusammenstellt und besonders auf die oben
genannten Nährstoffe achtet. Dann sind vegan ernährte Kinder mit vielen Nährstoffen sicher sogar noch besser versorgt als die Durchschnittsbevöl-kerung. Auch die Vereinigungen der Ernährungsex-perten und Kinderärzte in Kanada und den USA betonen, dass eine gut zusammengestellte vegane Ernährung nicht nur in der Schwangerschaft, in Kindheit, Jugend und Greisenalter geeignet ist, sondern auch präventiven und therapeutischen
Nutzen fu?r die Gesundheit hat. Was gut zusam-mengestellt heißt und auf was man alles achten muss, erkläre ich u?brigens im ABC der veganen
Ernährung, das im Veganen Familienkochbuch
enthalten ist. Der renommierte Ernährungswissen-schaftler Dr. Markus Keller hat mir bei der Zusam-menstellung der wichtigen Punkte geholfen und alle Fakten gecheckt. Ich habe daher keine Bedenken, dass unsere Kinder Mangelerscheinungen bekom-men. Auch die regelmäßigen kinderärztlichen Untersuchungen und die Laborwerte, die wir zur Sicherheit machen lassen, bestätigen, dass sie kerngesund sind und sich prächtig entwickeln.
davon?
Die Aussage ist ein Spruch der Fleisch-Lobby, der inzwischen ganz sicher u?berholt ist. Es gilt ja mittlerweile sogar als erwiesen, dass rotes Fleisch krebserregend ist. Dazu kommen noch andere ge-sundheitliche Risiken, die mit dem Genuss von Fleisch einhergehen. Vielleicht stimmt der Spruch ja in einer Welt, in der Menschen sehr wenig zu essen haben und nicht die Möglichkeit, so wie wir an jeder Ecke gesundes Gemu?se, Kräuter, Hu?lsenfru?chte,
Vollkornprodukte und Obst zu bekommen. Hier und heute mu?sste der Spruch heißen: Pflanzen liefern
Lebenskraft! Leider gibt es keine Pflanzen-Lobby.
Haben Ihre Kinder auch mal Lust auf Chicken Mc Nuggets oder Schnitzel? Wie gehen sie damit um?
Meine Kinder sind dieser Art von Versuchung zum Glu?ck nicht so häufig ausgesetzt. Sie sind ja erst
zwei und vier und essen entweder bei uns, bei un-seren Eltern oder in der KiTa. Natu?rlich wollten sie aber auch da schon hin und wieder Dinge essen, die wir nicht gut finden. Wir erklären das dann, sind aber nicht dogmatisch. Wir wollen, dass unsere Kinder mit Freude und aus Überzeugung mitmachen. Und Neugier und Experimentierfreude gehören selbst-verständlich zur kindlichen Entwicklung dazu. Gleichzeitig werden der Geschmackssinn und das Essverhalten in fru?her Kindheit in der Familie ge-prägt. Der Spruch: „Mama kocht am besten“ exis-tiert ja nicht ohne Grund. Das ist eine riesige Chance fu?r uns Eltern, unseren Kindern schon fru?h gutes und gesundes Essen beizubringen. Das ist gut fu?r ihre Entwicklung und macht sie fu?rs ganze Leben weniger anfällig fu?r Fastfood, ungesundes Essen und ernährungsbedingte Krankheiten.
Ist nun in Ihren Augen die vegane Ernährung eine Modewelle oder die Ernährung der Zukunft?
Sicher ist sie auch ein bisschen Mode – aber ich hoffe, dass aus der Mode ein Klassiker wird, weil sie im Gegensatz zur Durchschnittsernährung zu-kunftsfähig ist. So wie die meisten Menschen in den Industrienationen essen, schaden sie ja nicht
nur der eigenen Gesundheit, sondern richten langfristig auch die Erde zu Grunde. Wenn alle so essen wu?rden, bräuchten wir deutlich mehr als einen Planeten.