Florian, der Flussuferläufer

Florian, der Flussuferläufer

Guten Tag, ich bin der Florian.


Ich bin ein Flussuferläufer. Findest du auch, dass mein Name etwas eigenartig klingt? Aber denk mal nach. Im Grunde verrät er einiges über mich. Kennst du in deiner Nähe Flüsse? Ja? Dort bin ich gerne am Ufer der Flüsse unterwegs. Als Läufer laufe ich immer an der Wasserkante, also am Ufer entlang. Warum? Weil ich da mein Futter finde, Kleintiere im Allgemeinen. Konkret sind das also Käfer, Insekten, Spinnen und all ihre Larven. So jetzt weißt du schon eine Menge über mich. Naturforscher haben mir diesen Namen gegeben. Stell dir vor, die haben noch viel mehr über mich herausgefunden. Zum Beispiel, dass ich im Sommer auch schon mit meinen Jungen von Gewässer zu Gewässer umherziehe. Dabei können wir ziemlich große Strecken zurücklegen. Ansonsten bin ich eigentlich ein Einzelgänger. Wenn du mich also sehen möchtest, dann musst du ans Wasser gehen. Also die Ufer der Flüsse oder die Ränder eines Sees mit einem Fernglas absuchen. Manchmal triffst mich auch in einer Kläranlage an. Es müssen halt Schlick- oder Schlammflächen vorhanden sein. In diesen feuchten Stellen kann ich mit meinem Schnabel nach Tieren stochern oder einfach absammeln.

Übrigens, ich bin ein Zugvogel. Ich fliege oft weiter als 10.000 km um mein Überwinterungsgebiet in Afrika zu erreichen. Glaubst du mir das? Der Winter bietet mir hier in der kalten Jahreszeit nicht genügend Insekten. Aber warte mal. Ich habe gehört, dass es ein paar coole Flussuferläufer gibt, die nicht wandern. Die bleiben tatsächlich den Winter über hier. Sogar erfolgreich! Irgendwelche Kleintiere gibt es wohl auch in der kalten Jahreszeit an den Ufern. Ich selbst bin nicht so mutig. Ich ziehe lieber in den Süden.

Leider brüten in Deutschland nicht mehr viele von uns. Weißt du warum? Das kann ich dir erklären: Früher waren die Gewässer, die Flüsse und die Seen natürlicher. Es gab mehr Schlammflächen, viel mehr Kiesinseln und keine Veränderungen am Flusslauf. Ein Beispiel dafür ist der Neckar. Der hatte früher einen schlingenden Lauf und heute sind die Ufer verbaut und der Fluss fließt oft wie ein Kanal, immer geradeaus. Früher gab es am Wasser viel weniger Menschen und damit deutlich mehr Ruhe. Du siehst, es ist nicht leicht für uns.

Ähm, eh ich es vergesse, ich will mich noch etwas beschreiben. Ich bin ein kleiner kurzbeiniger Läufer, etwa so groß wie ein Star. Ich tripple gerne schnell und ständig am Wasser entlang. Dabei zeige ich auch mein Markenzeichen: ich wippe ständig mit meinem Hinterteil auf und ab. Ich kann das einfach nicht bleiben lassen. Meine Oberseite ist dunkelbraun und meine Unterseite kontrastreich weiß. Ein weiteres Merkmal sind meine beiden weißen Keile an den Brustseiten.

Eine spannende Geschichte will ich dir noch erzählen. Im April war ich hier ganz in der Nähe und habe gerade Rast gemacht. Ich war auf dem Weg in mein Brutgebiet in Dänemark. Da musst du unbedingt mal hin. Ganz tolle Landschaften und wunderbare Naturschutzgebiete. Und viele nette Vogelbeobachter. Ach so, ich wollte doch von Sven erzählen. Sven, der Sperber. Der war wohl auch auf dem Durchzug. Auch der hat immer mal wieder Hunger. Also hat er mich von der großen Pappel aus eine Weile beobachtet. Dann ist er in die andere Richtung abgeflogen. Er ist aber einen Bogen geflogen und kam plötzlich von hinten angesaust. Da ich aber hinten Augen habe – nein, natürlich nicht–, aber meine Augen sitzen am Kopf an den Außenseiten, sodass ich fast alles von vorne und auch von hinten erkennen kann, habe ich Sven noch rechtzeitig erkannt. Schnell bin ich aufgeflogen und habe mich Richtung Wasser retten wollen. Das hat er erkannt und er ist mir hinterher geflogen. Bis zur Flussmitte habe ich es etwa geschafft. Dann hab ich den Sven an der Nase herumgeführt! Als er etwa zwei Meter hinter mir war, bin ich senkrecht mit einem Sturzflug ins Wasser eingetaucht. Unter Wasser hab ich umgedreht und bin etwa 20 Sekunden zurückgetaucht. Beim Auftauchen war vom Sperber keine Spur mehr zu sehen. Sein Überraschungsangriff hätte fast geklappt. Aber einem schnellen Wechsel kann der Sperber nur schwerlich folgen. So musste er an diesem Tag sein Jagdglück woanders versuchen. Hauptsache ich bin entkommen und kann mich meiner Familie widmen.

Tja, du siehst mein kurzes Vogelleben hat an jedem Tag Überraschungen zu bieten. Ist das bei dir auch so?
Jetzt muss ich aber weiter.
Ich grüße dich, dein Florian, der Flussuferläufer

Ein Beitrag von Ralf Gramlich, Orni-Schule, Schomberg, 75050 Gemmingen, Fon 07267 / 83 83. E-Mail:ORNISchule@web.de, www.ORNISchule.de

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