Wo früher Mittelstreckenraketen stationiert waren, spielen seit über zwei Jahrzehnten Kinder von 3-6 Jahren friedlich zusammen unter dem schützenden Dach des Waldes. Die Rede ist von der Heilbronner Waldheide, dem Standort des Waldkindergartens Laubfrosch, dem ersten Waldkindergarten in der Region.
Kaum biegt man vom Parkplatz zu Fuß in den Waldweg ab, sieht man nach wenigen hundert Metern zwischen den kahlen Bäumen die Umrisse der beiden Bauwagen und die aus Holz gezimmerten Spielstationen. Hier und da entdeckt man an den Bäumen Nistkästen und Selbst-gebasteltes aus Holz, die darauf hindeuten, dass man auf dem richtigen Weg ist. Noch herrscht absolute Ruhe im verschneiten Winterwald. Einzig das Gezwitscher der Vögel ist zu vernehmen. die im Laub nach Futter suchen und sich nicht von den Waldbesuchern stören lassen.
Jetzt ist erst einmal Vesperpause angesagt, die sich die Kinder redlich verdient haben. Schließlich sind sie bereits seit den frühen Morgenstunden an der frischen Luft. Und das macht hungrig. Gegessen wird im Winter im beheiz-ten Bauwagen, der nicht nur Sitzmöglichkeiten bietet, sondern Stifte, Bücher und Bastelutensilien. „Das ist allerdings in der Regel nicht so interessant, da der Wald weitaus mehr Möglichkeiten zum Spielen bietet“, weiß Brigitte Bartsch, die seit 17 Jahren die Leitung des Heilbronner Waldkindergartens innehat, der als gemein-nütziger Verein 1998 aus einer Elterninitiative hervorging.
Auch wenn der erste Winter im Wald für die Erzieherin herausfordernd war, möchte sie ihren Arbeitsplatz unter keinen Umständen tauschen. „Es ist für mich täglich ein Geschenk, hier in freier Natur arbeiten zu dürfen und nicht in beengten Räumen eines Kinder-gartens. Den ganzen Tag draußen in der Natur zu sein tut nicht nur den Kindern gut, sondern ebenfalls uns Erzieherinnen und Erziehern. Und im Gegensatz zu den Erwachsenen machen sich Kinder keine Gedanken, ob es zu kalt oder zu nass ist. Sie sind dick eingepackt und genießen es, sich bei Wind und Wetter frei bewegen zu können“, so die Erzieherin, die bestätigt, dass die Waldkinder im Gegensatz zu anderen Kindern bei weitem nicht so häufig und so lange krank sind.
Aktuell gibt es zwei Gruppen mit jeweils 15 Kindern und zwei Fachkräfte pro Gruppe sowie eine 70 Prozent Stelle und eine FSJ-Stelle.
„Dieser Betreuungsschlüssel ist natürlich top für die Kinder und für uns“, freut sich Brigitte Bartsch, die betont, dass es bereits seit Jahren eine Warteliste für die begehrten Plätze gibt.
Was in den 1950er Jahren in Dänemark entstand, hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr etabliert. So steht nicht nur der gesundheitliche Aspekt eines Waldkindergartens im Fokus, sondern auch das Erleben der Natur mit allen Sinnen, das Entwickeln der Fantasie, da auf Spielsachen weitestgehend verzichtet wird und der wertschätzende Umgang mit der Natur. Zudem erleben sich die Kinder im Wald mit allen Sinnen. Sie erfahren hautnah die Jahreszeiten, können ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen, ökologische Zusammen-hänge kennenlernen und Wichtiges über Pflanzen und Tiere erfahren. Und natürlich aus Herzenslust den Wald bespielen.
Genau das ist jetzt angesagt. Frisch gestärkt und in dicken Jacken und bunten Strickmützen geht´s erst einmal in Richtung riesiger Schneekugel, die die Kinder heute Morgen geformt haben. „Wenn Schnee liegt, sind die Kinder natürlich nicht zu bremsen“, lacht die Erzieherin, die jetzt die einzelnen Spielstationen im Wald zeigt. „Herzstück unseres Waldkindergartens ist selbst-verständlich unsere Matschküche, in der sowohl im Sommer als auch im Winter so manche ‚Leckerei‘ entsteht“. Und schon kommt der kleine Theo (Name geändert), schnappt sich einen Topf und rührt mit einem Stock eifrig seine Blättersuppe durch, die er uns anschließend zum Kosten anbietet.
Mmh, sehr geschmackvoll. Vielleicht noch ein Krümelchen Erde. Dann ist sie ganz perfekt. Das daneben liegende Matschloch liegt im Winter brach, wird allerdings im Sommer regelmäßig mit Wasser gefüllt, sodass ausreichend Kochmaterial zur Verfügung steht. Ausgeruht wird im Sommer im runden Astsofa, das die Eltern aus zahlreichen dünnen Ästen zu einem großen Kreis gebunden haben.
Während ein Teil der Kinder den Miniatur-jägerstand erklimmt, zieht eine kleine Gruppe, die Hand an einem Seil, freudig durch den Winterwald. Heiß begehrt ist die Wippe aus einem langen Baum-stamm, auf dem sich jetzt einige Kinder niedergelassen haben. Es wird gekichert, gehüpft, gelacht und getobt.
Der Tag im Wald startet allmorgendlich um acht. Bevor das Freispiel beginnt, gibt es eine Begrüßungsrunde im Morgenkreis. „Während ich in den her-kömmlichen Kindergärten die Erfahrung gemacht habe, dass oftmals Langeweile herrscht und die Erzieher und Erzieher-innen die Kinder zum Spielen animieren, so kennen unsere Waldkinder keine Langeweile. Unsere Spielvorschläge werden häufig von den Kindern abgelehnt, da sie hier morgens ankommen und bereits tausend Ideen haben, was sie spielen wollen“, lacht die Leiterin, die wohlwollend die bunt gekleidete Kinderschar auf Entdeckertour durch den winterlichen Wald beobachtet.
Infos: Laubfrosch Waldkindergarten Heilbronn