Kaum haben die Zwillinge das Auto verlassen, steuern sie zielstrebig in Richtung Hoftor.
Während Oscar alleine läuft, hält Ole sich an seinem bunten Kinderrollator fest, den er beherrscht wie ein Gleichaltriger seinen Bobbycar. Erst begrüßen die beiden Jungs in ihren grasgrünen Overalls die Hunde, die daraufhin hinter dem Esszimmerfenster wie wild bellen.
Das schreckt die zwei dreieinhalbjährigen Blondschöpfe nicht ab, kennen sie das allwöchentlichen Begrüßungsritual bereits seit zwei Jahren. Denn seither kommen sie regelmäßig zu Katrin Märkle zum therapeutischen Reiten auf den Reiterhof, der idyllisch zwischen Mosbach und Buchen am Ortseingang von Elztal-Muckental liegt. „Meine beiden Jungs sind in der 25. Schwangerschaftswoche auf die Welt gekommen und somit Extremfrühchen.
Beide sind entwicklungsverzögert und Ole hat zudem noch eine leichte Körperbehinderung“, erzählt die jugendliche Mutter, die bei Wind und Wetter mit ihren Söhnen zum Reiten geht und von der positiven Wirkung des Reitens überzeugt ist. „Meine Söhne bekommen vielfältige Therapien aber das therapeutische Reiten bewirkt Unglaubliches und macht dazu beiden noch unendlich viel Spaß“, erzählt die gelernte Heilerziehungspflegerin, die weiß, von was sie redet. Dass sie Recht hat, kann Diplom-Heil- und Diplom-Reitpädagogin Katrin Märkle nur bestätigen. „Das heilpädagogische Reiten ist ein ganzheitlicher Therapieansatz, der Körper, Geist und Seele gleichermaßen anspricht. Gerade bei Ole wirkt das Reiten positiv auf seine Spastiken. Nach einer halben Stunde auf dem Pferderücken kann sich die Muskulatur entspannen“, erklärt Katrin Märkle, die auf ihrem Reiterhof 11 Pferde und drei Hunde beherbergt.
Während Oscar auf Pony Krümel reitet, erforscht sein Bruder die vielen Spielgeräte, die im Hof verteilt sind und entscheidet sich schließlich für das Riesentrampolin. Nach mehreren Runden auf dem Pferderücken darf Oscar seine Geschicklichkeit unter Beweis stellen, indem er bunte Reifen gezielt auf ein Hütchen wirft. „Super hast du das gemacht!“, feuert ihn seine Mutter an, die sich darüber freut, dass ihre beiden Söhne tolle Fortschritte machen. „Da ich über die förderliche Wirkung des therapeutischen Reitens gelesen habe, suchte ich im Internet nach einem Angebot in unserer Region und war überrascht eines hier in unserem Ort zu finden“, so die gebürtige Mosbacherin, die jetzt Ole auf den Pferderücken platziert. Kaum setzt sich das Pony Krümel in Bewegung, leuchten die blauen Augen und er beginnt zu strahlen. Ein breites Grinsen geht über sein Gesicht, als das Pony an einem Haufen Pferdeäfpel vorbei läuft: „Die Äpfel kann man nicht essen!“, stellt er lachend fest.
Nun ist er an der Reihe, die bunten Reifen zu werfen. Zum Abschluss setzt das Pony zum Traben an, was Ole so begeistert, dass er am liebsten gar nicht vom Pferd steigen möchte. So wie Ole ergeht es zahlreichen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die regelmäßig zum Reiten sowie zu den inklusiven Ferienfreizeiten auf den Reiterhof kommen, die sowohl während der Oster- als auch Sommerferien stattfinden. „Meine Familie, mein Mann, meine drei Kinder und meine Eltern sowie alle Feriengäste leben gemeinsam unter einem Dach. Im geräumigen Ferienzimmer schlafen die Gäste, direkt gegenüber haben mein Mann und ich unser Schlafzimmer, sodass ich auch nachts immer in greifbarer Nähe bin. In der großen Wohnküche genießen alle zusammen das vollwertige, frisch gekochte Essen, das im Übrigen mein 85-jähriger Vater für uns zubereitet“, lacht die gebürtige Aachenerin, die ihre beliebten Reiterferien seit 2002 anbietet. Die zweiwöchigen Reiterferien kamen zustande, als ein junges Mädchen, eine Rollstuhlfahrerin, Katrin Märkle fragte, was besser sei als eine Woche Reiterferien.
„Na, zwei Wochen Reiterferien natürlich!“,
erwiderte die Rollstuhlfahrern strahlend, die keine Mühe scheut um das im 2. OG gelegen Ferienzimmer selbstständig zu erreichen. Der Tagesablauf ist übersichtlich und strukturiert. Nach dem gemeinsamen Frühstück werden die Pferde versorgt und der Stall gemacht. Anschließend dürfen die Feriengäste ihren Wünschen und Fähigkeiten entsprechend führen, reiten, Kutsche fahren. „Es wird mittlerweile vielerorts das therapeutisches Reiten angeboten, was vom Begriff hier nicht geschützt ist. Eltern, die für ihre Kinder das therapeutische Reiten als Fördermaßnahme in Anspruch nehmen wollen, sollten zumindest darauf achten, dass der Anbieter eine pädagogische oder therapeutische Ausbildung nachweisen kann“, so Katrin Märkle. „Da ich ja im Grundberuf Diplom-Heilpädagogin bin, besteht für alle Kinder, die noch nicht eingeschult sind, die Möglichkeit, das heilpädagogische Reiten über die Kinder und Jugendhilfe bezahlt zu bekommen, einkommensunabhängig.“
Infos:
Therapeutisches Reiten Rückenwind, Pferdetraining mit Rückenwind,
Katrin Märkle,
Odenwaldstrasse 4,
74834 Elztal,
Tel: 06267/928316,
Mobil: 01784337005