Hey und Guten Tag,
ich bin`s, Gardian, der Gartenbaumläufer. Bitte verwechsle mich nicht mit Waldemar, dem Waldbaumläufer. Der sieht mir zwar zum Verwechseln ähnlich, ist aber ein anderer Vogel. Früher haben die Vogelbeobachter eher einen Bogen um uns gemacht. Sie sagten: Die Zwei kann man nicht unterscheiden! Das stimmt aber nicht ganz, denn man kann uns unterscheiden, auf jeden Fall am Gesang. Inzwischen auch im Aussehen. Warum, fragst du? Weil sich inzwischen die optischen Geräte verbessert haben. Auch die Hinweise zur Bestimmung im Gelände sind detaillierter geworden. Ok, wir sind immer noch schwer auseinanderzuhalten, denn wir haben uns ja nicht verändert. Aber wer genau hinsieht, erkennt doch Unterschiede. Zum Beispiel findest du mich im Laubwald, also auch in den Gärten im Park oder in Obstwiesen.
Den Wbl, also den Waldbaumläufer, findet man meistens in Wäldern mit Nadelbäumen. Oft sind das Fichten- und Tannenwälder. Ein weiteres Merkmal ist außerdem meine bräunliche Flanke. Und einen längeren Schnabel habe ich auch. Das musst du dir merken: Der Name Garten ist um zwei Buchstaben länger als Wald, deshalb habe ich den längeren Schnabel. Im Flügel gibt es noch ein paar Hinweise zum Unterscheiden. Aber das geht jetzt hier zu weit ins Detail.
Übrigens, weißt du warum unser Schnabel lang und leicht nach unten gebogen ist? Damit wir leichter Futter finden. Wir sammeln kleine Insekten, Spinnen, manchmal auch kleine Schnecken, Moose und Samen. In alten Bäumen mit grober Rinde verstecken sich diese Tiere. Mit unserem feinen Schnäbelchen kommen wir, wie mit einer Pinzette, in die kleinste Ritze. Du musst uns mal zuschauen, wie wir von Baum zu Baum wandern. Meistens fangen wir unten an und klettern dann noch oben. Wenn wir oben angekommen sind, fliegen wir nach unten zum nächsten Baum.
Stell dir vor, Vogelforscher haben die Bäume gezählt. Die haben uns beobachtet und festgestellt, dass wir an einem Wintertag an etwa 200 bis 300 Bäumen klettern. Wow, soweit kann ich gar nicht zählen. Und sie haben gemessen, dass wir dabei 2000 – 3000 Meter Strecke zurücklegen. Und das nur zum Essen!
Wir Gbl, also wir Gartenbaumläufer, machen noch etwas Besonderes: Wenn es im Winter kalt wird, so richtig frostig kalt, dann bilden wir Schlafgemeinschaften. Mit der Dämmerung sammeln wir uns in einem Nistkasten, in Ritzen von Bäumen oder in einer Spalte in ei nem Gebäude. Da können schon mal über 10 Gbl zusammenkommen. Doch damit nicht genug. Wir tauschen die ganze Nacht über die Plätze. So kommt jeder Vogel mehrmals in die Mitte zum Kuscheln und hat es etwas wärmer. Das ist ganz schön cool, oder? Das nennt man auch Wärmekarussell. Lustig, gell?
Interessant ist dabei noch, wie wir miteinander ausmachen, wo wir uns zum Schlafen treffen. Wir haben kein Handy, um miteinander zu sprechen. Ich glaube, das bleibt noch eine Weile unser Geheimnis.
Ein bekannter Ornithologe, also ein Vogelkundler, hat uns mal beobachtet, wie wir im Giebel eines Trafohäuschens eingeflogen sind. Er konnte uns nicht mal richtig zählen. Weil es dunkel war und wir ständig in Bewegung waren.
Außerdem war es kalt und er bekam kalte Füße und Hände. Bald verschwand er und ließ uns schlafen.
Weißt du, wo und wie wir brüten? Also unsere Kinder großziehen? Wir suchen wirklich kleine Spalten an Bäumen. Hinter der abstehenden Rinde bauen wir dann unser Nest. Seltener bauen wir in Mauerspalten, im Efeugerank oder in einem Nistkasten. Wir bauen beide als Paar, dabei beginnen wir mit kleinen Stöckchen und polstern dann die Mulde mit Federn, Fasern und Wolle aus. Anschließend legt meine Frau 5 bis 6 Eier in das gepolsterte Nest hinein und setzt sich drauf. Nach 13 bis 15 Tagen schlüpfen die Kleinen gleichzeitig und werden dann nochmals 17 bis 19 Tage lang gefüttert. Nach diesen Tagen sind die Kleinen groß, voll befiedert und bereit zum Ausfliegen. Das ist unser Leben: Das Leben der Gartenbaumläufer!
Ich höre ganz deutlich meine Frau nach mir rufen. Da kann ich sie nicht warten lassen,
bis demnächst …
Dein Gardian, der Gartenbaumläufer
